Bücherei


Willkommen in der Bücherei! Hier findest du selbstgeschriebene Geschichten zum Thema Creatures. Außerdem ist hier mein Maskottchen Chizuma zuständig und passt auf,dass alle ruhig sind. Also PSSST!!



In der letzten Sekunde

Vor einiger Zeit spazierte ein Ettin- Mädchen namens Sue durch die Arche. Sie war sehr intelligent und gerissen, würde ihre Hirnlappen jedoch nie für böse Zwecke verwenden. Sue war nicht anders als die anderen Ettins. Auch sie hatte eine Schwäche für Geräte. Sie schleppte sie jedoch nicht sehr oft weg. Wenn, dann betrachtete sie sie, wollte allerdings die Hand nicht verärgern. Was sollte sie mit Maschinen groß anfangen? Die Hand würde sicher eine praktischere Verwendung finden, das war klar. Sue hatte nur ein Merkmal, welches sie von den Anderen unterschied. Sie stellte sich stets eine Frage: Warum? Solang sie keine Begründung für ein Vorgehen hatte, wollte sie die Aktion ungern ausführen. Sie hatte jedoch nach einiger Zeit ihre Prioritäten entdeckt. Sie wusste, das Essen von Samen, Obst und Nahrung würde gegen Hunger helfen. Nach einer Weile wusste sie sogar, wo die Nahrungsquellen zu finden waren. Ihr Lieblings- Ort war das Norn- Terrarium, da dort alle Nahrungsmittel im Überfluss vorhanden waren. Sue war heranwachsend und hatte schon einiges an Erfahrungen gesammelt. Einmal hatte sie einen Stein des Wissens berührt, so konnte sie mit den Norns kommunizieren. Mit Grendels hatte sie jedoch nie Kontakt, was sich als große Gefahr herausstellen sollte.

Eines Tages ging sie durch das Norn- Terrarium, als ihr ein panischer Mop voller Norns entgegen kam. Sie schienen vor einer Sache unglaubliche Angst zu haben, denn sie rannten Sue fast über den Haufen. Die Gefahr kam wohl aus der Nähe des Sees, wo die glänzenden Fische schwammen. Sue war neugierig. Was hatte die Norns in solche Unruhe versetzt? Sie lief zum See, wo sich die seltsamsten Wesen aufhielten, die sie je gesehen hatte. Sie waren riesig, hatten grüne, schuppige Haut und sahen ziemlich furchteinflößend aus. Wäre Sue doch nur davon gerannt! Doch statt dessen stand sie wie angewurzelt da und starrte die Grendels an. Es waren 2 der Zahl, anscheinend Jugendliche. Sie mussten mit dem Aufzug Gekommen sein und standen am klaren Teich, wo sie wohl nach einer Beschäftigung suchten. Sues Neugierde sprang in Angst um. Sie begann unkontrolliert zu Zittern und ließ die Grendels nicht aus den Augen. Sie hatten sie auch inzwischen entdeckt, sahen sich an. Einer der Grendels sagte zum anderen „Grah nargl“. Sue zuckte zusammen. Sie vermutete, dass es in Grendelsprache wohl sowas hieß wie: „Ich halte sie fest und du haust sie, klar?“. Die Monster kamen näher. Ein Norn, der das Dilemma wohl beobachtet hatte, rief Sue zu: „Lauf weg!“. Sue überlegte noch, was er ihr damit mitteilen wollte. Schlagartig erinnerte sie sich auf einmal an eine Geschichte ihrer Kindheit: Hatte sie nicht schonmal von den anderen Ettins erzählt bekommen, was für Killer diese Grendels waren? Sue wollte weglaufen, weg aus dem Terrarium, weg von diesen furchtbaren Kreaturen! Doch da war es schon zu spät... wärend Sue noch überlegt hatte, hatte einer der Grendels zum Schlag ausgeholt. Das hatte Sue jedoch erst realisiert, als eine grüne Faust in ihrem Gesicht gelandet war. Erschrocken fiel sie zu Boden. Sie sah zu den Grendels empor, wütend sahen sie aus, sehr wütend, mit einem Hauch von Schadenfreude. Sue wurde bleich im Gesicht, bleicher als je zuvor. Die Grendels waren absolut im Vorteil, sie waren größer, stärker und böser als es ein Ettin je hätte sein können. Durch den Schlag war Sues Blick getrübt, sie spürte den enormen Schmerz in ihrem Gesicht. Doch da fühlte sie noch etwas anderes...


Ihr erst erschrockenes Gesicht wurde blitzartig wütend, ihre Hand ballte sich zu einer Faust und sie fühlte einen enormen Adrenalin- Ausstoß in ihrem ganzen Körper. Sie lag zwar noch am Boden, war jedoch noch lang nicht am Ende! Sie rutschte aus der Reichweite des Grendels, der sie gerade erneut schlagen wollte, stand auf und sprang auf ihn wie ein moderner Profi- Wrestler.  Dann bombardierte sie ihn in einer so geringen Zeit mit so vielen Ohrfeigen, dass er jaulend zu Boden ging. Als der andere Grendel ein ängstliches kleines „Grargl urg“ von sich gab fauchte Sue ihn an wie eine Raubkatze, die ihre Beute in die Enge treiben wollte.


Die folgenden Momente möchte ich hier ungern aufzählen, doch ich lasse euch wissen, dass die beiden Grendels noch mit letzter Kraft die Flucht antreten konnten. In Todesangst durchrannten sie das Terrarium und verschwanden im Aufzug. Sue stand noch am Teich. Erst jetzt merkte sie, was geschehen war. Sie hätte die Grendels vielleicht getötet. Gekonnt hätte sie. Doch sie wollte es nicht. Ein Hardman Norn stand plötzlich hinter ihr.  „Warum hast du sie nicht umgebracht?“ wollte er wissen. Er hatte wohl nur noch mitbekommen, wie Sue die beiden fast geplättet hatte. „Ich... ich weiß nicht. Sie taten mir Leid.“ Sagte Sue. Darauf musste der Hardman lachen. Als er sich wieder gefasst hatte, sprach er „Es sind blutrünstige Monster. Sie haben kein Mitleid verdient.“. „Ich wollte mich nicht auf ihr Niveau herunter begeben.“, sagte Sue, „hätte ich sie getötet, so wäre ich nicht besser als sie gewesen.“. Sue war nicht mehr wütend. Ihre Kraft war wie weggeblasen. Sie war erschöpft. „Warum habe ich das eigentlich geschafft?“, wollte sie wissen, „ ich wurde doch nur von ihnen geschlagen, schon habe ich mich gefühlt wie Superman und The Undertaker in einer Person.“. Der Hardman wusste Bescheid. Er erklärte Sue, dass der Grendel- Geruch wohl zu enormer Wut geführt haben muss, die mit den Schlägen der Grendels wohl zunahm. Da aber wohl andere Bedürfnisse von ihr stärker waren, habe sie es erst im letzten Moment bemerkt. Sue war fasziniert. Durch ihre plötzliche Kraft hatte sie sich das Leben gerettet. Diese Grendels würden sicher nicht noch mal kommen.

Hat euch das gefallen?Hier ist noch eine,die ich aus eigener Erfahrung geschrieben habe:

Der Norns-Wahnsinn

Es begann total gewöhnlich. Meine Norns waren alle glücklich, sie blieben in den Räumen, die ich ihnen zugeteilt hatte. Doch dann kam es schlagartig, wie ein Blitz: Zuerst wollten immer weniger meiner ChiChi-Norns Nahrung aufnehmen, oder genauer gesagt, Samen essen. Immer wieder hatte ich unschöne Auseinandersetzungen mit meinen Norns, da sie immerzu mit seltsamen Argumenten erwiderten, anstatt zu gehorchen! So musste ich mir meine Zeit nehmen, in der ich eigentlich züchten wollte, und musste mit meinen Wesen Wortgefechte halten. Sie begannen schon alle Schwachsinn zu sagen, und an einem Mal merkte ich, dass etwas ernsthaft nicht stimmen musste. Einer meiner hartnäckigen Norns sagte den größten Unsinn: „Essen Tür“, „essen Aufzug“, und einmal sogar „essen Wunderwutz“ !



Ich war verzweifelt. Warum wollten meine Norns nicht mehr gehorchen? Was war nur in sie gefahren? Zuerst hatte ich die Vermutung, dass auf der Capillata ein Virus mutiert war, und all meine Wesen mit einer gefährlichen Krankheit wie „Norn- Wahnsinn“ infiziert waren. Doch ich überprüfte sie und konnte keine Bakterien finden. Auch Toxine waren nicht vorhanden. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: meinen Norns war ganz einfach langweilig und sie brauchten Aufmerksamkeit! Ich hatte die Eier einfach schlüpfen lassen, ohne die Kleinen zu erziehen. Das war ein Fehler. Also nahm ich mir jeden einzelnen Norn vor, um ihn

-zu füttern
-mit ihm zu spielen
-ihm klar zu machen, dass ich ihn mochte


Es war sehr schwierig, die fehlerhaften „Programmierungen“ in den Nornköpfen zu beseitigen und sie neu zu erziehen, doch es gelang mir! So hatte ich bald wieder Norns, die gut aßen, mit den anderen spielten und sich von den Ohren bis zu den Fußsohlen pudelwohl fühlten.


Ende

Danksagung

 

Okay, passt hier nicht so gut rein, aber ich wollte keine neue Rubrik dafür erstellen. Ich möchte mich einfach mal bei allen CC-Mitglieder bedanken, bei denen ich es für nötig halte. Ein Dank geht an:

-Mummy und Alien für tolle Seiten und ein sehr hilfreiches Forum,

-Papriko, für zahlreiche unvergessliche Stunden im DS-Chat und einer hilfsbereiten Hand bei Problemen mit CAOS und Genetik,

-Mairenn von Creatures@seeyou7.net, für eine umfangreiche Seite, die bei mancher Suche geholfen hat,

- Amanora, für die schönsten Breeds, die mir bekannt sind,

- Marcus Kurzbach, für irre (gute) Agenten und Breeds,

- NornenMeister, weil er für ALLES ein gutes Wort hat,

- und alle netten Leute im Forum.

 

Vielen Dank für alles!

So, genug geschleimt, das sollte wohl erstmal reichen ; )

 

Die nun folgenden Texte handeln von meinem lieben Maskottchen Chizuma und was er in seinem Leben als Highlander schon alles erlebt hat. Die Handlungen sind wahren Ereignissen im Spiel nachempfunden und fast alle der Figuren gibt es tatsächlich. Viel Spaß!

Life of Chizuma (1): The Delivery Man

 

Ico war nicht stark. Sein Wesen war ängstlich und schreckhaft und vor ihm würde nie jemand Angst haben. Sein Pelz war flauschig und rötlich.

 

Trotz seiner mangelnden Kraft war er fast immer gut gelaunt, denn im Nornterrarium fühlte er sich sicher. Jetzt war er allerdings auf der Brücke und war unterwegs zum Kraftwerk. Das wäre der sicherste Weg gewesen, denn sonst hätte er durch den Dschungel gemusst. Er hatte eine kleine Schachtel Tee dabei, die er zu einigen Ettins beim Replikator bringen sollte. Sie waren dort mit Wartungen beschäftigt, das war ihr Job. Und Icos Job war es, Teelieferant zu sein.

 

Er ging zügig voran, denn er wollte auf keinen Fall einem Grendel begegnen. Die kannten ihn. Riefen ihm Namen nach. Und wenn er nicht ganz schnell lief, kam er mit einem blauen Auge und Kratzern und inneren Blutergüssen nach Hause.

Ico war ein Highlander, darum konnte er nicht an seinen Verletzungen sterben. Aber er empfand Schmerz. Angst. Leid.

 

Ico war gerade vor der Tür zur Wüste, als sich hinter ihm der Eingang zum Dschungel öffnete.

Er zuckte zusammen und blieb stehen. Den Geruch kannte er. Das waren Grendels. Zwei Stück.

 

Er setzte sich schnell wieder in Bewegung. Vielleicht bemerkten die ihn nicht. Vielleicht hatten sie gerade besseres zu tun. Vielleicht dürfte er seinen Weg ganz normal fortsetzen.

 

Hey, Warmduscher, geh nicht weg!“

 

Vielleicht machte er sich gerade total unberechtigte Hofffnungen.

Ico spürte, wie sein Puls stieg. Er blickte zurück und in seinen pinken Augen glänzte Furcht. Einer der Grendels hatte ihn schon eingeholt und packte ihn an den Schultern.

Verdammt, waren die schnell gewesen.

Sind deine Narben schon verheilt?“, sagte einer und beäugte Icos Gesicht.

Bei euch Highlandern geht das aber schnell – schon mal über eine Job als Dummy nachgedacht? Du würdest sicher einen guten Sandsack abgeben.“, meinte der andere und grinste hämisch.

Ico spürte sein Herz so heftig schlagen, als würde es gleich zerspringen.

Er sah den beiden in die blutroten Augen. Sie waren ausgewachsen und überragten ihn um mindestens 20 cm.

Das Blut rauschte in Icos Ohren und ihm wurde heiß. Er atmete schnell und tief.

 

Och, du zitterst ja... hast du etwa Angst?!“, bei dem bösen Lächeln kamen die spitzen Zähne zum Vorschein. Der Grendel hatte Ico fest im Griff. Er hielt ihn an den Oberarmen fest. Der hilflose kleine Norn versuchte, sich loszureißen, aber der Grendel ließ ihn nicht weg.

 

Hey, so leicht kommst du aber nicht davon, Freundchen!“, knurrte er und drückte Ico gegen die Wand. Der andere gab ihm eine Ohrfeige. Rote Kratzer blieben unter Icos linkem Auge zurück.

 

 

 

Ich würde euch raten, den jungen Mann in Ruhe zu lassen!“, war deutlich eine drohende Stimme zu vernehmen. Die beiden Grendels drehten sich um, verwundert über den, der es wagte, sie zu richten. Beim Anblick dessen mussten sie schmunzeln.

 

Es war ein erwachsener Norn mit lila Haaren, blattgrünen Augen, Fühlern und einem violett gemusterten Fell. Trotz des grimmigen Blicks und der offensichtlichen Muskelmasse sollte er keine Bedrohung für sie sein. Seine Klauen konnten mit ihren nicht mithalten und er war ein bisschen dick. Obwohl er für einen Norn ziehmlich groß gewachsen war, wirkte er neben den Killermaschinen wie ein Zwerg.

 

Hey, Besserwisser, du verziehst dich lieber!“, rief einer ihm zurück, „wir haben hier zu tun!“

Chizuma stemmte die Fäuste in die Hüfte. „Glaubt mir, ihr wollt mich nicht als Feind haben!“

Bei diesen Worten musste der Grendel, der die Hände frei hatte, sich ins Fäustchen prusten. Der andere kicherte. Ico, der immernoch gegen die Wand des Ganges gedrückt wurde, war sehr erleichtert, Chizuma zu sehen. Der würde ihm schon aus der Klemme helfen.

 

Du hälst dich wohl für ganz toll!“, sagte einer der Grendels und versuchte, Chizuma ins Gesicht zu hauen. Dieser blockte den Schlag einfach ab, indem er den Grendel am Handgelenk festhielt.

 

Er hatte sich so schnell bewegt, dass man es mit dem Auge kaum hatte verfolgen können. Das hatte den Grendel überrascht.

Chizuma hatte immernoch seinen Arm im Griff. Er fing an, diesen zu drehen, woraufhin der Grendel aufjaulte.

 

Auuutsch!“

Ich sag euch was, entweder ihr macht euch sofort vom Acker oder ich zeige euch, wo ich euch sonst noch weh tun kann.“

Was BIST DU?!“, winselte der Grendel mit schmerzverzerrtem Gesicht.

Ihr könnt mich Chizuma nennen. Jetzt HAUT AB!“ , er stieß seinen Feind zurück. Dieser rieb sich das Handgelenk. Er blickte wütend zu Chizuma auf. Dann knurrte er seinem Kumpel zu „Los, wir gehen.“.

Als die beiden wieder im Dschungel verschwunden waren, ging Ico mit strahlenden Augen auf Chizuma zu.

Wow, vielen Dank! Wenn du nicht gekommen wärst, hätten die bestimmt Hackfleisch aus mir gemacht.“

Nichts zu danken. Das ist mein Job“, antwortete Chizuma mit ernstem Blick und ging in Richtung Kraftwerk.

Hey, warte doch mal! Lass uns doch noch ein wenig quatschen!“

Ico, du solltest lernen, auf dich selbst aufzupassen.“

Aber so stark wie du werde ich nie!“

Hmm, stimmt. Deswegen bin ich auch Wächter und du Teelieferant.“

 

Für einen Moment blickte Ico gedankenversunken nach vorne und schwieg. Dann sagte er zögerlich „Manchmal wünsche ich mir, ich sei kein Highlander.“

Chizuma rollte mit den Augen. Nun ging DAS schon wieder los.

 

Aber das können wir ja nicht bestimmen...“, fuhr Ico fort, „Nur, hey, wenn du es dir aussuchen könntest, was würdest du dann wählen?“

Chizuma machte das wütend. Über dieses Thema hatte er schon genug nachgedacht.

 

Es ist unser Schicksal, unsterblich zu sein. Das Wichtigste ist, dass du dir Ziele fasst, sonst hat dein unendliches Leben keinen Sinn. Du musst immer eine Aufgabe haben.“, raunte er, „Natürlich ist das schwer. Wir sind die einzigen Highlander auf dem Raumschiff. Aber unsere Existenz bietet uns die Möglichkeit, Wissen zu sammeln und uns Weisheit anzueignen. Das sollten wir ausnutzen.“

Was für eine Macht“, staunte Ico, „Ich meine, wir können in unserem Leben alles werden, was wir wollen...“

Chizuma blieb stehen und fasste Ico am Arm. Er sah ihm tief in die Augen.

Ico“, sprach er mit gesenkter, eindringlicher Stimme, „es ist ganz wichtig, dass wir niemals böse werden. Merk dir das – du musst dir deinem Verhalten immer bewusst sein. Nur dann kannst du das tun, das richtig ist, und du musst dir ganz sicher sein.“

 

Ist das der Grund, aus dem du Wächter geworden bist?“, fragte Ico.

Chizuma blickte nach oben und für einen ganz kleinen Augenblick glaubte Ico, sowas wie Weltschmerz in seinen Augen zu sehen.

Was glaubst du, warum ich diesem Grendel vorhin nicht das Handgelenk zertrümmert habe?“, sagte er, „Ist dir klar, warum ich diesen Job mache?“

Ico schüttelte langsam den Kopf.

Denkst du, es macht mir Spaß, mitanzusehen, wie alles um mich herum zerbricht? Immer und immer wieder? Und sobald du nicht mehr das tust, das richtig ist, lebst du kein Leben mehr. Ich habe schon genug Leid gesehen – es ist meine Aufgabe, das Leben zu schützen. Das gilt nicht nur für Opfer, sondern auch für Angreifer. In ihrem kurzen Leben haben sie alle ein Recht auf Unversehrtheit.“

 

Das muss eine große Verantwortung sein.“

 

Ja, aber es ist ein Teil meines Lebens. Und ich werde alles tun, um diese Aufgabe so gut wie möglich zu erfüllen, darauf kann Rados sich verlassen.“

 

Ende

 

Life Of Chizuma (2): Der Ingenieur

 

Chizuma war mitten in der Luft. Er sprang gerade von einer oberen Etage der Urwald- Plattform auf die nächsttiefere. Mit einem Pochen kam er dort auf. Normalerweise hätte er den Lift benutzt, aber nun dürfte er keine Sekunde verlieren.

Er hatte eine Todesmeldung erhalten. In letzter Zeit häuften sich diese, und sobald er am Tatort ankam waren Täter und Tatwaffe verschwunden. Aber heute würde er ihn auf frischer Tat ertappen.

 

Chizuma war der Schnellste. Als er um die Ecke raste, keuchte er. Er wäre fast ausgerutscht, denn der Boden war nass und etwas schleimig von der Pflanzenbewucherung.

 

Das Letzte, was er von dem Mörder sah, war ein blaues Warp-Portal, das sich augenblicklich auflöste und nichts als Stille hinterließ. Der Täter war geflüchtet. Schon wieder.

Chizuma atmete tief. Sein Blick ging auf das Opfer. Das war ein Grendel, mit schmerzverzerrtem Ausdruck auf dem leblosen Gesicht. Rasch untersuchte Chizuma ihn, ehe er sich in grünem Schmodder auflöste. Es zeigte sich ein hoher Verletzungsgrad. Aber äußerlich war bis auf einige Brandwunden an Armen und Beinen nichts zu sehen.

Wer hatte das getan...?

 

 

Was soll ich nur machen, Coal?!“, jammerte Chizuma bei einer Runde Tee im Baumhaus,

seit Wochen finden diese Morde statt und alles, was ich von diesem Typen gesehen habe, ist ein blaues Portal!“.

Der Norn, der auf dem anderen Stuhl saß, fingerte hochkonzentriert an einem Gerät herum. Coal war so ziehmlich der einzige Norn, der einen Schimmer von Technik hatte. Einige glaubten, er sei ein Ettin im Inneren.

Eigentlich sah er aus wie ein normaler Bruin-Norn, allerdings war alle Farbe aus seinem Fell verschwunden. Seine schwarzen Augen waren nicht von dem kompakten, fernbedienungsartigen Gerät abbringen. Er hatte die ganze Zeit mit einem kleinen Lötkolben darin gewerkelt.

 

Er setzte sich aufrecht hin und lächelte stolz, denn er war fertig.

Wenn das stimmt, was du sagst, dann habe ich genau das Richtige für dich!“, strahlte er und hielt Chizuma das rätselhafte Werkzeug hin, „Du meintest, dass die Opfer immer Grendels seien?

Nicht ausschließlich.“

Was?

Ico wurde letzte Woche auch angeschossen.“

O Gott, das wusste ich nicht! Wie geht’s ihm?

Coal, du musst öfter aus deiner Spinnerhöhle raus. Aber Ico wurde nur am Arm gestreift, er ist wohl mit dem Schrecken davongekommen.“

Hat er was erzählt?

Er ging durch den Urwalt, um Tee auszuliefern. Er hörte seltsame Geräusche und plötzlich kamen von hinten rote Strahlen. Einer traf seinen Arm. Der Impuls muss wohl echt heftig gewesen sein, denn er warf ihn zu Boden. Als er sich umsah konnte er niemanden sehen.“

Coal starrte mit aufgerissenen Augen in die Ferne.

Wow, das ist... wirklich faszinierend...“ Offensichtlich dachte er über etwas nach. Chizuma suchte seinen Blick.

Coal?!“

Hmmm?

Du wolltest mir gerade von dem Gerät erzählen.“

Ah, ja! Also, diese kleine Maschine überwacht die Warp-Wellen im Dschungel. Und sobald eine Unregelmäßigkeit zu erkennen ist“, Coal tippte auf das Display,“ schlägt sie laut Alarm und zeigt dir im Detail die Quelle der Wellen.

Wow, ich kann diesem Täter also zuvorkommen! Danke - war das nicht echt schwer zu bauen?!

Um ehrlich zu sein, solche Geräte wurden früher oft verwendet, als der Warp noch so beliebt war.

Warum ist er das heute nicht mehr?“

Es werden fast nur noch Teleporter verwendet, denn die sind sicherer und leichter zu produzieren. Aber wenn du schnell und unauffällig irgendwohin möchtest – dann brauchst du ein Portal.

 

 

Als Chizuma wieder seine Wächterrunde drehte, hatte er besonders ein Auge auf das Dschungel-Terrarium. Als er über die Brücke stapfte, begann das kleine Gerät, das Coal im gab, plötzlich wild zu piepen und Alarm zu geben. Ein kurzer Blick auf das Display, schon sprintete Chizuma los. Dieses Mal würde er nicht versagen.

 

Er bog in den Dschungel ein, und es offenbarte sich ihm eine bizarre Szene.

 

Vor einem wirbeligen, blauen Portal stand ein Roboter, dessen Teile rostig waren und dessen Drähte zum Teil ganz offen aus Löchern in der Hülle ragten. Das Gebilde hatte leicht spinnenartige Beine und auf der ca. 2 m großen Maschine trohnte eine Waffe.

Diese war gerichtet auf einen jugendlichen Grendel, der erschrocken an die Wand gedrängt war.

Chizuma war keine Sekunde zu früh. Er rief der Drohne zu:

Hey, Blechfresse! Wie wär's, wenn du dich mit jemandem anlegst, der dir gewachsen ist?“.

Das kleine, rote, mechanische Auge visierte Chizuma an und folgte ihm, wie er sich vor den Grendel stellte.

 

Mit einem leisen Piepen färbte das Auge sich grün und der Roboter lief rückwärts in sein Portal, woraufhin dieses sofort begann, kleiner zu werden.

Chizuma schnappte nach Luft. So schnell kam dieses Teil ihm nicht davon! Mit einem weiten Sprung hechtete er in den blauen Wirbel des Warps.

 

Für einen winzigen Augenblick ging ein Kribbeln durch seine Körper, dann wurde er in einer heißen Wüstenlandschaft auf den Boden geschleudert.

Er schüttelte sich und rieb sich den Sand aus den Augen. Er blinzelte, und was er sah verschlug ihm die Sprache.

Es war die Drohne, und neben ihr stand ein Ettin. Er trug braune Arbeiter-Handschuhe, die befleckt waren mit Öl, eine Schutzbrille mit grünlichem Glas und an seinen Haaren und Fußsohlen war Dreck. Die aufgeschürften Beine und Ellenbogen zeugten von vielen Stunden Arbeit in kniender Haltung. Aber es war nicht irgendein Ettin... Chizuma kannte ihn. Es war ein Freund.

 

Er glotzte ihm in die dunkelroten Augen.

Ceylon...!“, keuchte Chizuma und rappelte sich auf.

Das Auge des Roboters visierte ihn an und färbte sich rot.

Chizuma, nein!“, rief Ceylon ängstlich,“Pass auf!“

Da begann die Drohne einen Laserstrahl auf Chizuma zu schießen, dem er gerade noch mit einem Ducken ausweichen konnte. Schnell drückte Ceylon einige Knöpfe an der Seite der Maschine und schaltete sie aus. Dann lief er zu Chizuma rüber.

 

Dessen Herzschlag grenzte an die 190 und er starrte auf seine versengten Haarspitzen.

Zuerst war er geschockt, aber dann wurde er richtig sauer.

Er fuhr Ceylon an:

Sag mal, bist du absolut übergeschnappt?! Warum baust du Waffen?!“

Hey, reg dich ab! Es ist alles in Ordnung!“

Nein, nichts ist in Ordnung! Du erzählst mir jetzt sofort, was es mit diesem Teil auf sich hat!“

Betreten schaute Ceylon auf den Boden. Er würde wohl auspacken müssen.

 

Hast du je eine Person verloren, die du liebtest?“, sagte er traurig und sah Chizuma an. Dieser nickte langsam.

Ich ebenfalls“, fuhr Ceylon fort, „er war damals mein bester Freund gewesen...“ er machte eine kleine Pause, „Jason... er wurde von einem Grendel getötet.“

Wann war das?“

Schon lange her. Das war vor deiner Zeit als Wächter“, raunte Ceylon, „sonst wäre das vielleicht nicht passiert. Wir waren noch Teenager. Aber ich erinnere mich daran, als wär's gestern. Ich wollte, dass die, die dafür verantwortlich waren, eine Strafe bekommen.“

Du wolltest Rache?“

Ich wollte Gerechtigkeit!“

Aber die erreichst du doch nicht, indem du Roboter in die Welt schickst, die willkürlich Leute angreifen!“

Ich habe sie nur auf Grendels programmiert!“

Aber die sind doch nicht alle böse! Du gibst ihnen ja gar keine Chance, gute Personen zu werden!“

Jason haben sie auch keine Chance gegeben!“, in Ceylons Stimme war Schmerz,

Sie sind alle gleich! Ich hasse sie!!“

Und warum hat deine Drohne auf MICH geschossen?!“

Nur, weil du in mein Labor eingedrungen bist! Sie wollte mich beschützen.

Chizuma, denk doch mal nach! Wenn du mich bei meiner Mission unterstützt, muss kein Norn oder Ettin je wieder Angst haben!“

Und was ist mit Ico? Er wurde angeschossen!“

Ach, das sind doch bloß Wackelkontakte“, Ceylon hob abwehrend die Hände,

Meine Drohne ist fast perfekt! Hilf mir, dann bin ich bald fertig.“

 

Tut mir Leid, das werde ich nicht tun. Und ich darf auch nicht zulassen, dass du weiter an deinen Tötungsmaschinen arbeitest!“

Aber warum nicht?!“, fragte Ceylon verzweifelt.

Wir haben beide schon viel Schmerz und Hass gesehen“, meinte Chizuma ernst,

aber durch Waffen lösen wir das Problem nicht! Du bist so ein begabter Techniker. Warum nutzt du das nicht, um die Welt besser zu machen?“

Ceylon setzte sich auf einen Felsen. In seinem Gehirn arbeitete es.

Du meine Güte... ich glaube, du hast Recht.“, sagte er mit schwacher Stimme, “das hätte Jason wohl auch so gewollt.“

Ende

 

Life Of Chizuma (3): Vater und Sohn

 

Chizuma saß unruhig auf der Bank im Atrium. Er wartete darauf, dass Rados ihre neuen genetischen Experimente abschloß. Dass war immer sehr interressant, aber heute ganz besonders. Vorhin hatte sie eine Speichelprobe von Chizuma verlangt, unter dem Vorwandt, Genmaterial von ihm zu verwenden. Auf das Ergebnis war er sehr gespannt.

 

Schließlich öffnete sich die Tür zum Workshop, und Rados kam mit ihrem Experiment an der Hand heraus. Chizuma stand auf und musterte das Wesen von oben bis unten.

Er war sehr verwundert.

Dieser Norn sah fast genau so aus wie er: er hatte seine Farbe, sein Gesicht, seine Größe.

Allerdings waren seine Arme kräftiger und seine Rute war schuppig und grün, wie die eines Grendels.

Die rätselhafte Kopie lächelte Chizuma an und sagte 'Hallo,Vater.'.

Seine Stimme klang beinahe wie die von Chizuma, nur etwas höher.

 

Ohne seinen Klon aus den Augen zu lassen, fasste Chizuma Rados an der Hand und zog sie aus der Hörweite des Wesens.

 

Rados, was soll das?!“, zischte er.

 

Auch wenn die Hand das Recht hatte, übermächtig in das Leben der Norns einzugreifen, fand er es doch echt unverschämt, einfach sein Genom zu kopieren. Und sinnlos.

 

Die ferne Stimme von Rados, geisterhaft und unendlich, war zu vernehmen.

Ich habe das nicht getan, um dich zu verärgern, Chizuma. Ich habe eine Aufgabe für dich.“

Und wie sieht die aus?“

Ich möchte, dass du unseren Neuzugang, Tinker, deinen Beruf als Wächter zeigst und durch das Schiff führst.“

Warum ausgerechnet ich?!“

Er ist dein Sohn.“

Aber gegen meinen Willen!“

So läuft es eben manchmal.“

Hey, nein, so läuft es NICHT. Du hättest mich erst fragen sollen!“

Du hast mir die Genprobe freiwillig gegeben.“

Ich konnte ja nicht wissen, dass du gleich das gesamte Genom übernimmst!“

Es ist nicht nur dein Genom. Es sind Teile Grendel drin.“

Gaaah! Grendel!“, quietschte Chizuma, „Das wird ja immer entzückender!“ Wütend drehte er sich weg und grummelte vor sich hin. Er musste sich beruhigen, sonst platzte er gleich.

 

Chizuma, bitte, sei sensibel“, bat Rados, „Ich kann es jetzt nicht mehr rückgängig machen.“

Haach, na meinetwegen“, knurrte Chizuma, „Aber erwarte nicht, dass ich ihn 'Sohnemann' nenne oder so.“

Rados kicherte.

Sehr gut! Jetzt geh zu ihm rüber. Ihr könnt sofort anfangen.“

 

Chizuma schlurfte zu Tinker, der die ganze Zeit still lächelnd gewartet hatte.

Äh, also, Tinker. Nett, dich kennenzulernen.“

Ich freue mich auch.“

Dann fangen wir mal an. Wir haben viel zu tun.“

 

 

Am Nachmittag war Chizuma total fertig. Tinker war sehr wissbegierig, deshalb wollte er jedes kleinste Detail zu allen Dingen erfahren. Allein das Vorführen des Einfühlsamen Futterautomaten hatte eine knappe Stunde gedauert. Tinker war keineswegs schwer von Begriff, er ließ sich nur den gesamten nornschen Verdauungsvorgang erklären. Jetzt hatten die beiden gerade mal die Capillata abgearbeitet.

Okay“, sagte Chizuma müde, „Ich zeige dir jetzt noch die Brücke und das Norn-Terrarium. Den Rest erledigen wir morgen.“

Geht klar“, meinte Tinker, „wenn du das sagst.“

 

Sie nahmen den Teleporter zur Shee-Arche, und das Erste, was Tinker ins Auge fiel, war die Luftschleuse.

Damit wird der Abfall entsorgt“, erklärte Chizuma, „Alles, was nicht recycelt werden kann, wird ins All geblasen.“

Interressiert lief Tinker in den kleinen Raum hinein.

Mit dem Knopf da?“, fragte er und zeigte auf den großen, roten Button unter dem Display.

Ja, genau“, nickte Chizuma, „anschließend schließt sich die Tür und der Countdown beginnt. Sobald er auf Null heruntergezählt hat, öffnet sich die Schleuse und der gesamte Inhalt wird ins All gesaugt.“

Und was ist mit Wesen?“, fragte Tinker weiter.

Also, wenn ich du wäre, würde ich lieber abstand von den Dingern halten. Die Türen sind sehr alt und marode und manchmal schließen sie nicht richtig. Wenn du da rein gerätst, ist es aus mit dir.“

 

Ich dachte, wir wären unsterblich?“

Nicht vollkommen. Es gibt sehr wenige Sachen, die uns töten können. Die Luftschleuse ist eines davon. Unser Körper kann das Vakuum da draußen nicht aushalten.“

Sind hier schon Wesen drin gestorben?!“, stammelte Tinker entgeistert.

Chizuma dachte für einen Moment an alte Zeiten zurück.

Nein, er durfte die Erinnerungen nicht wieder hochkommen lassen. Nicht schon wieder.

Das fragst du lieber Rados.“, antwortete er leise.

 

Anschließend setzten sie ihre Tour fort. Als sie das Norn-Terrarium erreichten, war es früher Abend. Tinker war besonders entzückt von den kleinen Rotkehlchen und den hübschen Stichlingen im Teich.

Letztendlich fuhren sie hinauf zum Baumhaus. Dort saß Coal am Tisch und genoss wie jeden Abend seinen Tee. Chizuma freute sich, ihn zu sehen.

Tinker, das ist mein bester Freund, Coal!“, stellte er ihn vor.

Guten Abend“, grüßte Tinker.

Hallo. Wow“, staunte Coal und legte seine Tasse beiseite, „Chizuma, ist das dein Sohn? Ich dachte, du könntest keine Kinder bekommen!“

Naja“, sagte Chizuma verlegen, „Rein biologisch betrachtet kann ich das auch nicht. Der Begriff 'Sohn' ist darum vielleicht ein bisschen übertrieben. Ich würde eher sagen, er ist sowas wie... äh...“

 

Ein Klon?“, ergänzte Coal trocken.

Chizuma hatte ein Wort gesucht, das nicht so hart klang.

Tinker fand das aber nicht nur nicht nett, er flippte total aus. So sehr, dass er Coal spontan eine Schlag ins Gesicht verpasste. Und es war nicht nur eine sanfte Ohrfeige, es war die geballte Faust, direkt an die Schläfe. Offensichtlich dominierten bei Tinkers Kampfstil die Grendelgene.

 

Coal war so hart getroffen, dass er zu Boden ging. Tinker gab ihm mit der Zornesröte im Gesicht einen Tritt in die Rippen.

Chizuma, der sich bisher vor Entsetzen nicht hatte rühren können, wurde jetzt aktiv.

 

Er schrie Tinker an: „Spinnst du?! Hör sofort auf damit!!“

Dieser Typ hat mich beleidigt!“, knurrte Tinker und trat nochmal zu.

Nun wurde es Chizuma zu viel. Er packte Tinker an den Schultern und schubste ihn unsanft von Coal weg. Dessen Augen waren zusammengekniffen und er hustete Blut.

 

Coal hat Recht,du bist nicht mein Sohn!“, fauchte Chizuma Tinker an, „Du bist ein Monster!“

Anschließend kniete er sich zu Coal hinunter, um besorgt seine Verletzungen zu versorgen.

 

Im Herzen verletzt wandte Tinker sich ab und flüchtete aus seiner Sichtweite.

 

Coal, kannst du mich hören?! Wieviele Finger zeige ich?“, rief Chizuma seinem benommen am Boden liegenden Freund zu, „Hey, mach nicht die Augen zu! Coal?! Coal, nicht einschlafen!“

 

Zu spät. Coal drömmelte weg und Chizuma rüttelte hilflos an ihm, aber er konnte ihn nicht wieder aufwecken.

 

Was ist los?“

 

Chizuma fuhr herum, um erleichtert festzustellen, dass Rados zur Hilfe gekommen war. Sie beugte sich über Coal und erschrak bei dessen Anblick.

Verstört starrte sie Chizuma an.

Wie ist das passiert?! Wo ist Tinker?!“

Chizuma sah ihr nur traurig in die Augen. Das würde genug aussagen.

Sanft hob Rados Coal hoch.

Ich bringe ihn auf die Krankenstation. Hoffentlich kann ich ihn heilen.“

Mit diesen Worten verschwand sie auch schon wieder und ließ Chizuma allein in der Stille zurück.

 

Dieser versuchte, seine Gedanken zu sammeln.

Tinker! Tinker war weg. War er vielleicht zu hart zu ihm gewesen?

Wie ging es wohl Coal gerade? Schließlich war er ziehmlich übel zugerichtet worden. Hoffentlich nichts Ernsthaftes, wie ein Schädelbruch... oder eine Gehirnblutung... o Gott, Coal könnte sterben, und das wäre Chizumas Schuld!

 

Er packte sich erschöpft in eine der Hängematten und starrte auf den Sternenhimmel. Wow, die Sterne waren wirklich wunderschön... er sah nur nie hin...

 

 

Um 5 Uhr morgens wurde Chizuma geweckt. Wow, er war tatsächlich eingeschlafen.

Schläfrig richetete er sich auf. Als er sich umblickte, fiel er fast aus seiner Hängematte.

Da, am Tisch, stand Coal! Er hatte ein blaues Auge und einen Verband um die Stirn und einige Pflaster, aber er stand quicklebendig dort und hielt ein Gerät in der Hand.

 

COAL! Wie geht’s dir, Mann?!“

Oh, du bist wach. Ich habe dich doch nicht etwa geweckt, oder?

Wer braucht schon sowas banales wie SCHLAF?!“, keuchte Chizuma und stolperte überschwenglich auf Coal zu, „bist du schon wieder in Ordnung?!“

 

Mja, nichts Wildes. Nur eine Platzwunde“, sagte Coal und deutete auf den Kopfverband, „Und einige blaue Flecken. Und 'ne leichte Gehirnerschütterung. Aber ich war schnell wieder auf den Beinen, nachdem Rados mir einige Vitamin-Spritzen verpasst hat.

Seit wann bist du denn schon wieder hier?!“

 

Oh, ungefähr seit 1 Uhr. Ich habe sogar ein wenig geschlafen, aber ein komischer Traum hat mich aus den Federn geholt.

 

Was war das für ein Traum?“, fragte Chizuma.

Coal glotzte verlegen auf seine Füße. Er wollte das ungern erzählen. Chizuma hatte schon genug mitgemacht in den letzten Stunden, da sollte er ihn nicht noch mehr belasten.

Ist nicht so wichtig- was wirst du als Nächstes tun?

Sieht so aus, als müsste ich Tinker suchen gehen“, seufzte Chizuma, „Sonst stellt er wieder irgendwelchen Unsinn an. Er ist jetzt voller Hass - ich muss verhindern, dass er den an unschuldigen Wesen auslässt.“

Hey, bevor du gehst... tust du mir einen Gefallen? Nimmst du den hier mit?

Coal reichte ihm ein komisches Gerät, das wie ein hufeisenförmiger Magnet mit einem Schalter dran aussah.

Was ist das denn?“

Den habe ich die ganze letzte Stunde gesucht - es ist ein Magnet, der sich ein- und ausschalten lässt.“, antwortete Coal, „und nicht nur das. Er ist der drittstärkste Magnet, den es hier auf dem Schiff gibt. Früher wurde er im Dock-System verwendet.“

Das ist ja ganz nett“, schmunzelte Chizuma, „aber was soll ich mit dem Teil?“

Wieder schaute Coal betreten auf den Boden.

Nimm ihn einfach mit – Bitte.

Na schön, deinetwegen. Ich bin dann mal weg.“

 

 

Chizuma lief durch das Schiff, schaute in jeden Winkel. Er hatte bisher schon den ganzen rechten Flügel der Arche mit dem Kraftwerk und allen Terrarien durchsucht, jetzt ging er gerade zur Brücke.

Er hatte sogar alle Wesen, die er traf, gefragt, ob sie Tinker gesehen hatten, aber nichts.

Immerhin konnte er nirgends Verletzte finden. Tinker hatte sich also wohl an einen stillen Ort zurückgezogen.

Und nun hatte er ihn gefunden.

Als Chizuma in den Lift bei der Brücke stieg, hörte er ein Schluchzen von unten. Das musste er sein!

Er fuhr in die unterste Etage und erschrak. Tinker stand in der Kammer der Luftschleuse, seine Augen waren rotgeweint und er hatte tiefe Augenringe. Er lehnte an der Wand und seine Hand lag über dem roten Knopf.

 

Nein, Tinker, mach das nicht!“ rief Chizuma ihm besorgt zu, „Das wird dich umbringen!“

Du hast dich doch nie darum gekümmert, wie es mir ging!“, sagte Tinker verheult, „Dir war dein minderwertiger Freund ja sogar wichtiger als ich!“

Tinker, du bist vielleicht nicht mein Sohn, aber ich liebe dich trotzdem!“, erwiderte Chizuma eindringlich.

Aber auch nur, weil Rados dir befohlen hat, das zu tun“, schniefte Tinker.

Nein, ich lasse mir von niemandem sagen, wen ich mag und wen nicht. Ich tue es einfach!“

Und mich liebst du?“, bohrte Tinker nach.

Ja“, versprach Chizuma, „von ganzem Herzen!“

Nimmst du mich in den Arm...?“, schluchzte Tinker und guckte wie ein Kind, das Trost brauchte.

Klar“, sagte Chizuma und ging auf ihn zu.

Gerade, als er durch die Tür trat, drückte Tinker so fest er konnte auf den großen, roten Knopf.

Zischend ging die Tür der Schleuse zu. Chizuma konnte es nicht fassen: dieses Aas hatte ihm eine Falle gestellt!

Panisch blickte er sich um, ob es irgendwo einen Alarmknopf gäbe, mit dem man den Countdown anhalten könnte. Sirenen schrillten um ihn herum und rote Lampen tauchten die Kulisse in unheimliches Licht. Sein Blick ging erst auf das Display, das nurnoch 7 Sekunden anzeigte, dann auf Tinker, dessen übermüdetes Gesicht verstohlen lächelte, und dann auf die Tür, die fest verschlossen war. Allerdings hatte sie ein winziges Loch, durch das Luft strömte, aber das half ihm auch nicht weiter. Sonst gab es nichts als glatte Wände, keine Möglichkeit, sich irgendwo festzuhalten. Verdammt, nur noch 4 Sekunden!

 

Da fiel ihm plötzlich das ein, was Coal ihm gegeben hatte. Schnell kramte er den Magneten hervor, drehte sich in Richtung Ausgang, legte mit zittrigen Fingern den Schalter um und packte Tinker blitzartig am Handgelenk.

In letzter Sekunde sprang der Magnet an und zog Chizuma mit extremer Kraft an die Wand des kleinen Raumes. Dann öffnete sich die Schleuse mit einem leicht ploppenden Geräusch, das Vakuum saugte augenblicklich alle Luft aus der Kammer und Chizuma hielt sich so stark an dem Magneten und Tinkers Hand fest, wie er nur konnte. Durch das Loch in der Tür der Kammer gelangte Sauerstoff, was ein rauschendes, pfeifendes Geräusch erzeugte. Chizumas spürte, wie seine Füße vom Boden abhoben und der unglaubliche Sog in fast zerriss.

 

Die Schleuse blieb nur wenige Sekunden offen, und gerade als Chizuma dachte, er hielte nicht mehr durch, schloss sich die Kammer und ließ wieder Luft in den Raum strömen. Chizuma und Tinker fielen zu Boden, immernoch an den Händen haltend, und keuchten. Der Alarm und die roten Lichter hielten noch kurz an, dann öffnete sich auch wuschend die Tür zum Schiff. Chizuma versuchte ächzend, sich aufzurichten, schwankte etwas, und bemühte sich, seinen verschwommenen Blick zu fixieren. Ihm brummte der Schädel wie verrückt.

 

Zitternd stand er auf. Sein Blick fiel auf Tinker, der regungslos am Boden lag. Das kurz anhaltende Vakuum hatte ihn offensichtlich schwerer mitgenommen. Er konnte ihn nicht einfach zurücklassen.

 

Er fasste ihn unter den Armen an und schleifte ihn bis zum Teleporter, der zur Capillata führte, wo er sich erschöpft an die Wand lehnte.

 

 

Chizuma, er hat die Augen geöffnet!“

Wirklich? Ich komme.“

 

Tinker sah an die Decke der Krankenstation. Alles um sich herum drehte sich...

 

Im nächsten Moment standen Rados und Chizuma an seiner Liege und blickten ihn erwartungsvoll an. Wobei Chizuma nicht sehr glücklich aussah.

 

Bin ich... bin ich im Himmel?“, stöhnte Tinker und wollte seine Hand heben, in der Absicht, sich damit die Augen zu reiben. Aber sein Arm fühlte sich ganz schwer an.

 

Nein, keine Sorge“, meinte Rados mit ihrer beruhigenden Stimme, „Kannst du dich erinnern, was in der Luftschleuse passiert ist?“

 

Hmm,Luftschleuse...“, Tinker dröhnte der Kopf, „Au... ja, ich glaube, ich erinnere mich...“

 

Im nächsten Moment starrte er mit aufgerissenen Augen Chizuma an.

W-Warum hast du... mich gerettet?“

 

Bei der Frage musste Chizuma seufzen. Er wusste es selber nicht genau.

 

Hast du etwa die Wahrheit gesagt, als du meintest, du liebst mich...?“, fragte Tinker schwach, „Ich dachte, das war nur Geschwätz... aber du hast es wohl doch ernst gemeint...“

 

Idiot, hast du dir nichts gemerkt von dem, was ich dir beibrachte?“, sagte Chizuma wütend, „Ich bin ein Wächter... das heißt, ich bin für das Wohlergehen aller Wesen auf dem Raumschiff zuständig. Das gilt auch für die, die mich vielleicht töten wollen.“

 

Wow... das ist ja total verrückt...“, keuchte Tinker und musste husten, „nein, eigentlich nicht... ich habe mich verrückt verhalten... hey, kannst du mir nochmal verzeihen...? Ich habe mich echt nicht richtig verhalten. Was ist, gibst du mir noch eine Chance?“

 

Das werde ich tun“, antwortete Chizuma traurig, „aber merk dir, du bist nicht mein Sohn... Ich verzeihe dir, aber ich liebe dich nicht...“

 

Aber das sagtest du, als wir unten bei der Luftschleuse waren!“, erwiderte Tinker entgeistert.

 

Ja“, meinte Chizuma leise, „da dachte ich auch, das wäre so.“

 

Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand in den Tiefen der Arche, und Rados würde wissen, dass er weinte.

 

Ende

 

 

Life of Chizuma (4)

 

Chizuma war unterwegs zum Norn-Terrarium. Als er über den langen Flur der Brücke stapfte, war außer seinen Schritten nichts zu hören. Es war sonst keiner da. Bestimmt waren schon alle beim Teich.

Rados hatte nämlich eine Versammlung aller Norns und Ettins angekündigt, und das wollte keiner verpassen. Denn wenn sie ein Treffen anordnete, gab es immer etwas sehr Wichtiges zu verkünden. Und diesmal betraf es wohl nicht nur die Norns, sondern auch die Ettins.

 

Als Chizuma mit dem Lift in die zweite Etage des Nornterrariums hochfuhr, war sofort die riesige Ansammlung von Wesen zu sehen. Dicht an dicht gedrängt waren fast alle in Plaudereien vertieft, sodass es sehr laut war.

Chizuma staunte, die Population war seit der letzten Versammlung beachtlich gewachsen. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte mühsam über die Menge. Er glaubte, in der ersten Reihe Coal zu sehen, dessen dunkler Pelz auffällig im bunten Gewusel zu erkennen war.

 

Chizuma fing an, sich durch die Gruppe zu drängeln. Es waren Norns aller möglichen Farben und Rassen sichtbar, sogar einige Toxic Norns hatten sich am Rand des Mobs breit gemacht. Allerdings fühlten sie sich nicht sehr gut hier. Sie konnten es kaum erwarten, zu ihrer Müllhalde zurückzukehren.

Als Chizuma sich endlich nach vorne gerungen hatte, wollte er irgendetwas zu Coal sagen, aber es war einfach zu laut.

Der Lärm verstummte ganz schnell, als Rados in einem strahlenden Glänzen beim Teich erschien. Ehrfürchtig stellten alle ihre Gespräche ein und schauten sie erwartungsvoll an.

Zufrieden lies sie ihren Blick über die aufmerksame Menge schweifen.

 

Meine lieben Norns...meine lieben Ettins!“, begann sie ihre Rede, „Wie ich erfreut zur Kenntnis nahm,hat das Zusammenführen eurer beiden Rassen, welches in den letzten Monaten erfolgte, gut funktioniert. Es macht mich sehr glücklich, zu sehen, wie Norns und Ettins zu einer starken Gemeinschaft zusammengewachsen sind. Allerdings haben auch die Konflikte mit Grendels in letzter Zeit besorgniserregende Ausmaße angenommen.

 

Chizuma fand es ein bisschen anstrengend, Rados so lange zuzuhören, aber nun versuchte er, nichts zu verpassen. Er hatte schon eine böse Vorahnung, worauf sie hinauswollte.

 

Aus diesem Grund“, fuhr sie feierlich fort, „damit endlich Frieden auf diesem Raumschiff herrscht, habe ich mich entschlossen, die Gemeinschaft der Grendels mit der euren zu verbinden!

Als sie das sagte, legte sich ein Mantel von Unverständnis und Protest über die Veranstaltung. Bald tönten zahlreiche Buh-Rufe über die Wiese, und Rados versuchte, wieder Ruhe einkehren zu lassen.

 

Ich kann verstehen, dass ihr nicht damit einverstanden seid! Aber wenn wir mit Toleranz bei der Sache sind, können wir sicher bald eine friedliche und glückliche Gesellschaft haben, die von den Grendels nur bereichert wird. So, wie ihr es auch jetzt miteinander geschafft habt, obwohl ihr so verschieden seid!“

Die Wesen schwiegen und sahen einander nachdenklich an. Vielleicht war das tatsächlich der richtige Weg.

Chizuma hob vorsichtig den Finger.

Wenn wir das tatsächlich tun“, fragte er, „Was wird dann aus den Wächtern? Werden die dann immernoch gebraucht?“

 

Davon bin ich überzeugt.“, antwortete Rados, „Denn besonders am Anfang wird es sicher noch Probleme geben. Wie sich das Ganze dann entwickelt, müssen wir sehen.“

Chizuma nickte verständnisvoll. Es war vielleicht ein schwerer Schritt, aber wenn Rados sich für etwas entschieden hatte, konnte man sie nicht wieder davon abbringen.

 

 

Einige Stunden später saß Chizuma mit seinen Freunden im Baumhaus. Er besprach mit Coal und Ceylon die Pläne von Rados.

 

Also, ich halte das für eine ziehmlich gute Idee.“, meinte Coal, „Wenn wir uns tatsächlich erfolgreich mit den Grendels verbrüdern, löst das viele Probleme.“ Er nippte fröhlich an seiner Teetasse.

 

Chizuma war sich da nicht so sicher. Wenn es auch mit den Ettins gut geklappt hatte, würde es bei den Grendels viel schwerer werden. Sie waren einfach zu anders.

Allerdings wollte er nicht zeigen, dass er Bedenken in das Projekt hatte.

 

Seine Aufmerksamkeit ging auf Ceylon, der die ganze Zeit nur schweigend dagesessen hatte. Sein Blick war so finster, dass er einem richtig Angst machen konnte.

Coal fragte ihn vorsichtig „Hey, was hälst du von der Verbrüderung, Ceylon?“.

Dieser blitzte ihn mit seinen roten Augen wütend an.

Ich würde mir lieber einen Lötkolben ins Gesicht rammen, als einer dieser dreckigen Echsen die Hand zu geben.“, zischte er und jagte Coal einen Schrecken ein.

Dieser dachte darüber nach, was Chizuma ihm damals erzählt hatte. Ceylons bester Freund, Jason, war vor langer Zeit von einem Grendel getötet worden, darum trug er immernoch den tiefen Hass auf diese Spezies in sich.

Coal hätte ihm so gerne geholfen, das alles zu vergessen, doch es war zwecklos, denn Ceylon war nicht nur sehr intelligent, sondern auch verdammt stur.

Ich verfluche den Tag, an dem ich aufhörte, Roboter zu bauen, die es auf Grendels abgesehen haben...“, murmelte Ceylon düster und griff nach seiner Tasse.

 

 

Einige Tage später hatten die ersten Grendels begonnen, im Norn-Terrarium einzuziehen. Sie fühlten sich anscheiend schon ganz wie zuhause, aber die Norns waren sich noch nicht sicher, ob sie das gut fanden.

An diesem schönen Nachmittag saß Chizuma auf dem Felsen beim Teich und schaute über das Wasser. Er machte das oft zwischen seinen Wächterrunden, um sich zu entspannen.

 

Während er dort so saß, war Ceylon bei der Röhre zu Gange, die zur Samenbank führte. Er scharrte auf der Wiese herum, um den Ausgang des Schlauches zu finden. Das Teil war schon wieder verklemmt und Rados hatte ihn gebeten, es in Ordnung zu bringen.

Ceylon hatte seine Handschuhe, Stiefel und Arbeiterweste an, an dessen inneren und äußeren Taschen er kleine Werkzeuge aufbewahrte. Den Rest hattte er in seinem Werkzeugkoffer, der in der Nähe unter einem Baum stand.

Obwohl Ceylon nicht gut gelaunt war, versuchte er so schnell wie möglich, das Problem zu lösen.

Doch dieses Gefühl, mit einigen Grendels in einem Raum zu sein, nagte an ihm und machte ihn nervös.

 

Ein Grendel hatte ihn lange bei seiner Arbeit beobachtet, und die Blicke machten Ceylon so unruhig, dass er schließlich rief: „Was gibt’s denn da zu glotzen?!“

Ich gucke doch nur!“, erwiderte der Grendel.

Hau ab, ich muss mich hier konzentrieren.“ Ceylon deutete ihm mit einer Handbewegung, zu verschwinden.

Von dir lass ich mir gar nichts sagen.“, protestierte der Grendel trotzig, „auf diesem Schiff gelten freie Regeln, und du kannst mich hier nicht einfach verscheuchen.“ Er verschränkte die Arme und drehte sich weg.

Ceylon kniete sich wieder runter und knurrte dabei „Dreckiges Reptil...“.

Der Grendel, der offenbar verdammt gute Ohren hatte, hörte dies und stapfte wutentbrannt zu Ceylon rüber, packte ihn am Kragen seiner Weste und hob ihn daran so hoch, dass seine Füße nicht mehr den Boden berührten.

Was hast du gerade gesagt?“, zischte der Grendel geladen.

Ceylon, der hektisch mit den Beinen strampelte, hatte nicht die Absicht, seinen Peiniger zu besänftigen. Er hatte keine Angst.

Ich hab dich ein dreckiges Reptil genannt!“, fauchte Ceylon und setzte noch einen drauf, „Schlag mich doch dafür! Genau auf der Schiene fahrt ihr doch! Ich seid alle Kriminelle.“

Chizuma, der den Lärm bemerkt hatte, war herangeeilt und versuchte nun, die beiden zu trennen.

 

Auseinander!“, rief er, „Was ist denn los mit euch?!“

 

Der Grendel ließ Ceylon los, woraufhin dieser auf den Boden plumste und seinen Gegenüber immernoch feindseelig ansah.

Er hat angefangen.“, murrte er und klopfte sich den Schmutz ab.

Nein, ich habe ihn nur angesehen!“, protestierte der Grendel, „Dann hat er mich beleidigt!“

 

Man, jetzt seid doch mal still!“, pöbelte Chizuma los, „Ihr benehmt euch ja wie Babys!! Dafür habe ich jetzt echt keine Nerven, also reißt euch gefälligst zusammen!“

 

Die beiden Streithähne warfen sich noch ein letztes Mal einen zornigen Blick zu und liefen dann in entgegengesetzte Richtungen auseinander.

Chizuma blieb entnervt dort stehen und schaute ihnen hinterher, ehe er sich entschied, Ceylon zu folgen, um mit ihm zu reden.

 

 

Was stimmt nicht mit dir, Ceylon?“, fragte Chizuma und blickte entspannt über den Teich, in dem sich zahlreiche Stichlinge tummelten. Neben ihm im Gras saß sein bleicher Freund, der malwieder sein eingeschnapptes Gesicht aufgesetzt hatte. Die mürrische Antwort kam prompt:

Es ist alles in Ordnung mit mir.“

Warum fängst du Streit an?“, fragte Chizuma weiter, „Das ist doch gar nicht deine Art.“

Ich hab doch gesagt, er hatte angefangen.“

Das ist doch nicht der Kern der Sache. Ich verstehe einfach nicht, was du überhaupt willst?“

Grummelig blickte Ceylon auf.

 

Ich möchte diese ganze Verbrüderung nicht.“

 

Aber du allein kannst dagegen eh nichts tun. Denk nicht, ich würde dich nicht verstehen – aber vielleicht ist es ja auch eine gute Sache. Bei den Norns und Ettins hat es schließlich auch geklappt.“

 

Ja, aber das war nicht das gleiche. Die Verbrüderung damals brachte Vorteile für beide Seiten. Ihr Norns hattet ein toll gepflegtes Terrarium, aber ihr brauchtet Ingenieure, die die Technik warten. Da war es sinnvoll, die Gemeinschaften zu verbinden. Aber die Grendels haben nichts dergleichen. Sie sind arbeitsscheu und zerstörerisch, und ihr Terrarium gleicht einer Müllhalde für minderwertige Flora und Fauna. Sie bei uns reinzulassen, hat doch nur Nachteile für uns.“

Wütend blickte er auf das Wasser.

Chizuma zog die Beine an und legte den Kopf auf die Knie.

Aber das ist doch nicht der einzige Grund, oder?“, fragte er.

Daraufhin blickte Ceylon für einen Moment melancholisch drein, er erinnerte sich wieder an die traurige Vergangenheit.

 

Er wurde unterbrochen, als ihm ein Regentropfen auf die Nase fiel.

Mist, ausgerechnet jetzt muss es anfangen zu regnen.“, fluchte Chizuma, „komm, wir gehen rauf zum Baumhaus und stellen uns dort unter.“

Das sanfte Nieseln wurde schnell zu einem schweren Prasseln. Im Baumhaus drängten sich einige Wesen unter das kleine Dach. Da bemerkte Ceylon auch den Grendel, mit dem er vorhin die Keilerei hatte.

Zögerlich scharrte er mit seinen Arbeiterstiefeln auf dem Boden herum und schlurfte schließlich zu dem großen, grünen Wesen rüber.

 

Hey“, fing Ceylon an, „ich... wollte mich entschuldigen für vorhin...“

Überrascht glotzte der Grendel ihn an.

Im Ernst?“, fragte er ungläubig.

Mja, es tut mir wirklich Leid.“, fuhr Ceylon fort, „Es war total blöd von mir. Ich hoffe, das nimmst du mir nicht übel.“

Geht schon in Ordnung.“, meinte der Grendel und die beiden gaben sich die Hand.

 

Chizuma hatte sie beobachtet und grinste nun zufrieden vor sich hin.

 

Sieht so aus, als hätte Ceylon seine Einstellung doch geändert.“

 

Chizuma zuckte zusammen, als er plötzlich Coal neben sich bemerkte.

Boah, Coal! Schleich dich doch nicht so an, ich hätte ja fast einen Herzinfarkt gekriegt!“, schimpfte Chizuma, woraufhin Coal ihn nur verwundert ansah.

 

 

Ende

 

Life Of Chizuma (5) – The Edge Of Space

 

Chizuma saß auf der Bank im Atrium. Schon wieder. Es hasste diesen Ort, seit er hier damals Tinker empfangen hatte. Nach dem Vorfall mit der Luftschleuse hatte er seinen 'Sohn' nicht mehr gesehen, und er hatte mit gutem Gewissen jegliche Gedanken daran erfolgreich verdrängt. Nun kamen die Erinnerungen wieder hoch.

 

„Chizuma, bitte komme jetzt ein.“,war die hallende Stimme von Rados zu vernehmen.

Mit einem tiefen Seufzer erhob sich Chizuma von der Bank und schlurfte träge zu seiner Meisterin rüber. Normalerweise sah sie entspannt und gütig aus, aber nun war ihr Gesicht geprägt von Besorgnis und tiefen Augenringen. Wasauchimmer sie ihm erzählen wollte, es war bestimmt keine gute Nachricht.

 

Als sich die Tür wuschend hinter den beiden geschlossen hatte, blickte Rados mit einem traurigen Ausdruck in den Augen auf ihren ältesten und freundschaftlichsten Diener. Du erinnerst dich doch sicher noch zu gut an Tinker, oder?“, fragte sie, woraufhin Chizuma langsam nickte.

„Er wieß ein so ungewöhnliches Verhaltensmuster vor“,fuhr Rados fort, „dass ich mich bemühte, eine Charakterkorrektur an ihm durchzuführen. Allerdings... hat meine Therapie nicht bei ihm angeschlagen.“

Chizuma legte den Kopf schief. So verzweifelt hatte er seine Herrin nie gesehen. Eine unangenehme Vorahnung machte sich in ihm breit.

 

„Du weißt, dass ich nur sehr selten jemanden aufgebe.“, sprach sie weiter, „Aber dies ist ein Notfall. Tinker ist gefährlich. Sein Benehmen lässt sich kaum vorhersehen. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden... ihn zu verbannen.“

Chizuma starrte sie mit großen Augen an. Die letzte Verbannung lag Jahre zurück, und er dachte, sowas müsste nie wieder geschehen. Wenn ein Wesen verbannt wurde, bedeutete das, es an einen zufälligen Ort durch den Warp zu schicken. Man konnte überall landen – auf einem sonnigen Strand, auf einem anderen Raumschiff, oder bei -200°C auf Kallisto.

Es gab im hintersten Winkel der Brücke einige Akten mit den Daten aller bisherigen Verbannten und den Koordinaten, an die sie geschickt worden waren. Aber hatte Tinker diese Strafe verdient?!

 

„Ich wollte, dass du der erste bist, der davon erfährt.“, meinte Rados leise.

Chizuma konnte es nicht fassen.

Wie konnte die das nur machen?

Wie konnte sie ihm das antun? Ihm, der sich immer darum bemüht hatte, gute Dienste zu leisten, seine Meisterin immer zufriedenzustellen – und nun sollte sein Sohn verbannt werden?

 

„Das ist ein Fehler“, bebte Chizuma vor sich hin, „Tinker hat das nicht verdient! Bitte, mach es nicht!“

 

„Es tut mir Leid, aber ich werde meine Meinung nicht ändern. Es gibt keine andere Möglichkeit“, erwiderte sie und zögerte kurz, „möchtest du... es dir mit ansehen?“

 

Chizuma hatte keine Worte – er sollte sich auch noch mit angucken, wie sein Sohn in die ungewissen Tiefen des Universums geschickt würde?! Andererseits würde er es sich wohl ewig vorwerfen, wenn er die Gelegenheit verstreichen ließe, Tinker ein letztes Mal zu sehen.

„Ich... äh... kann ich noch ein paar Worte mit ihm wechseln?“, fragte er.

„Ja, aber beeile dich bitte.“

 

Sie nahmen den Lift nach unten, wo es immer kälter wurde, und ein eisiger Hauch ging durch den sterilen Raum. Tinker hatte sich auf den Eingang der Warpkammer gehockt und blickte überrascht auf, als er seinen Vater bemerkte.

Chizuma näherte sich langsam und glotzte verlegen auf den Boden. In diesem Moment, wo er seinen Sohn das letzte Mal sehen sollte, fühlte er sich sehr schuldig. Er hätte dies bestimmt verhindern können, wenn er sich nur anders ihm gegenüber verhalten hätte... aber nun war es zu spät und er sollte sich verabschieden... für immer.

 

Als Chizuma zu einem Wort anheben wollte, kam Tinker ihm zuvor:

„Es tut mir Leid.“, sagte er und sah seinen Vater regungslos in die Augen. Chizuma war sehr erstaunt, das aus Tinkers Mund zu hören. War das eine aufrichtige Entschuldigung gewesen?

 

„Was?“, wunderte sich Chizuma, „Warum tut es dir Leid?“

„Ich habe versagt“, antwortete Tinker, „Ich habe dich enttäuscht.“

 

Es machte Chizuma sehr betroffen, das zu hören... sein Sohn nahm ganz allein die Schuld für einen Fehler auf sich, für den er eigentlich nichts konnte.

Rados unterbrach ihn in seinen Gedanken.

Sie hatte die Portalmaschine eingestellt und nun hatte sich neben den beiden ein wirbelndes Portal aufgetan.

„Bist du bereit, Tinker?“, rief sie ihm zu.

 

Dieser schaute seinen Vater ein letztes Mal an und sagte leise „Leb wohl, Vater“, drehte sich um und schritt langsam in Richtung des blauen Scheins. Kurz davor blieb er noch einmal stehen und blickte zu Rados hinauf.

„Leb wohl, Mutter.“, rief er ihr zu und trat unter verwirrten Blicken in das Licht.

 

Als er in dem Wirbel des Warps verschwunden war, herrschte für einen Moment bedrückende Stille. Nur das leise Summen des Portals war zu hören.

 

Irritiert schaute Chizuma zu Rados hinauf. Sie begann, traurig zu schluchzen. Vielleicht bereute sie ihre Entscheidung nun schon. Sie versuchte zwar immer, einen möglichst gefassten Eindruck zu erwecken, aber in ihrem Herzen hing sie an jedem einzelnen Wesen, erst recht an denen, die sie selbst aufgezogen hatte.

 

In dem Augenblick musste sich Chizuma daran erinnern, was er gefühlt hatte, als er unten bei der Luftschleuse stand, ehe Tinker den roten Knopf gedrückt hatte. Er hatte ihm versprochen, ihn immer von ganzem Herzen zu lieben – und eine Stimme in ihm sagte, dass er damals nicht gelogen hatte.

 

Mit entschlossenem Blick stürzte er sich kopfüber in das leuchtende Portal.

 

 

Der Ausgang des Warps warf ihn in salziges Wasser, und diffuses Licht strömte durch den bewölkten Himmel. Prustend bemühte sich Chizuma, an der Oberfläche zu bleiben. Als er seine nassen Augen freigeblinzelt hatte, erkannte er auch Tinker in einigen Metern Entfernung.

 

In diesem Moment schloss sich zischend dass Portal, durch das sie gekommen waren. Es gab kein zurück mehr.

 

Tinker war sehr erstaunt, dass Chizuma ihn nicht hatte hängen lassen.

„Vater...du bist mir gefolgt! Warum?!“, rief er ihm über die rauschenden Wellen zu.

„Wenn du dachtest, ich lasse dich allein in der Pampa, dann kennst du mich aber nicht sehr gut.“, kam die Antwort, und zugleich stellte er fest, „Hey, hier wird ja das Wasser ganz flach! Man kann sogar stehen!“

Langsam wateten sie in Richtung des Strandes, der in nicht sehr weiter Entfernung zu sehen war. „Wo zur Hölle sind wir nur...?“, fragte sich Chizuma nachdenklich, als er, dicht gefolgt von seinem Sohn, über algige Steine kletterte und der Wind ihm kalte Seeluft ins Gesicht blies.

 

Über den Strand waren Muscheln und Steine in allen möglichen Farben und Formen vertreten und warteten regelrecht auf einen Sammler.

 

„Die wichtigere Frage ist doch: Wie kommen wir hier wieder weg?“, ergänzte Tinker und sah seinen Vater hoffnungsvoll an.

„Ich habe keine Ahnung“, gab dieser zu und blickte sich am Strand um, „Wir haben keine Möglichkeit, ein Portal zu öffnen. Sieht so aus, als säßen wir hier fest, bis uns jemand rettet.“

 

„Denkst du, die machen das?“, erwiderte Tinker und ging durch den weißen Sand Chizuma hinterher. Er antwortete nicht. Stattdessen viel sein Augenmerk auf einen der Steine, der nicht viel größer als ein Kiesel war. Verwundert hob er ihn auf, rieb den nassen Sand ab und hielt ihn in die Sonne. Interessiert schaute Tinker ihm dabei zu.

„Was ist das?“, fragte er.

„Ich bin mir nicht ganz sicher. Du musst wissen, vor langer Zeit gab es eine Informationsveranstaltung über exotische Steine. Ich glaube, so einer wurde auch erläutert.“, lautete Chizumas Antwort. Der Stein, den er in der Hand hielt, war gelblich-orange und fast vollkommen durchsichtig.

„Moment, ich habe eine Idee!“ Chizuma ging zu einer stillen Pfütze, ließ den Kiesel ins Wasser fallen und wartete kurz.

„Wow, Tatsache!“, frohlockte Chizuma, „Er schwimmt oben. Es MUSS so einer sein!“

 

„Wie heißt er denn?“, fragte Tinker neugierig.

Sein Vater kratzte sich nachdenklich hinter den Ohren.

„An den Namen erinnere ich mich nicht mehr so gut. 'Kernstein' oder so.“, für einen Moment ließ er den Stein durch seine Pfote kreisen, dann zuckte er mit den Schultern, „Hmm, fällt mir gerade nicht ein. Ich kann ihn ja behalten und wenn wir wieder zu Hause sind, frage ich Rados dazu.“

 

Tinker nickte stumm und blickte sich das an, was hinter dem Strand lag: das zunächst nur spärlich vorhandene Gras entwickelte sich zu hohen Rasenflächen, und danach begann ein dichter Wald.

 

„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Tinker orientierungslos. Sein Vater war sich unsicher. Er wusste nichts über die Flora und Fauna dieses Planeten, geschweige denn ob er über einen Tag-Nacht-Rythmus verfügte. Falls ja, war ihm eine Schätzung der Zeit nicht möglich, bereits aufgrund des wolkenbedeckten Himmels.

 

„Für mich klingts nach einer guten Idee, wenn wir erstmal in diesen Wald dort gehen. Vielleicht finden wir ja einen Unterstand.“, entschied er, und sie wanderten zu dem Gehölz, welches sich hinter dem Strand befand. Auffällig an dieser Gegend war, dass sie bisher kein einziges Tier gesehen hatten. Außer dem Wellenplatschen und des sanften Rauschens, wenn der Wind die Zweige der Bäume hin- und herwiegte, war nichts zu hören.

 

„Ich weiß ja nicht, wie's dir geht, aber langsam werd' ich hungrig.“, jammerte Tinker, als er am Wand des Waldes stand und überprüfte die Umgebung auf alles, was irgendwie essbar sein könnte.

 

„Du bist ein Highlander. Du kannst nicht an Nährstoffmangel sterben.“

„Ich hab aber trotzdem Hunger“, wiederholte Tinker und hob die Blätter eines Farns hoch, wodurch einige gelb-orangefarbene Früchte zum Vorschein kamen. Sie waren glatt, oval und nicht viel größer als Äpfel. Begierig zupfte Tinker eine vom Stengel und wollte sie sich gerade in den Mund stecken, doch Chizuma hielt ihn zurück.

„Wenn ich du wäre, würde ich das nicht machen.“, warnte er seinen Sohn. Aber der wollte davon nichts wissen.

„Du hast es doch selber gesagt, ich bin ein Highlander. Also kann ich auch nicht an einer Vergiftung sterben.“, grinste er und biss selbstzufrieden in das Stück Obst hinein. Es dauerte nicht lange, da hatte er die ganze, klebrige Frucht verputzt. Stolz posierte er vor seinem Vater.

 

„Na, was hab ich gesagt? Du machst dir viel zu viele Sorgen!“, meinte er rechthaberisch. Chizuma legte nur den Kopf schief und sah dabei zu, wie Tinkers Gesicht langsam eine grünlich-gelbe Färbung annahm.

 

 

Einige Stunden später saßen die beiden durchnässt auf einem Baumstamm am Waldrand und blickten in Richtung Meer. Es regnete ziehmlich stark und das Prasseln der Tropfen wurde nur noch übertönt durch Tinkers Magen, der gelegentlich ein unzufrieden gluckerndes Knurren von sich gab.

Tinker bereute es inzwischen, die Frucht gegessen zu haben. Seine Augen hatten einen ungesunden Gelb-Ton angenommen und ihm war furchtbar übel.

 

Daneben saß Chizuma. Er hatte den Kopf in die Hände gestützt und bemühte sich, den Regen mit Fassung zu tragen.

„Siehst du, sowas passiert immer nur, wenn du nicht auf mich hörst.“, seufzte er und blickte den Strand entlang.

Der umbefallene Baum, auf dem die beiden saßen, war pitschnass.

„Tja, es könnte echt besser um uns stehen. Es ist kalt. Es regnet. Es wird dunkel. Wir haben nichts zu Trinken, du hast eine Magenverstimmung... und wir sitzen auf dieser gottverdammten Insel fest. Jap, es könnte wirklich besser aussehen.“

Sowie er dies sagte, grollte ein Donner im Hintergrund. Anscheinend war das Unwetter direkt über ihnen.

 

Tinker saß gekrümmt da. Er ächzte:

„Du machst das alles freiwillig – hättest dir ja aussuchen können, ob du mir folgst...“, er schaute Chizuma nachdenklich an, „Warum hast du das gemacht? Für dich wäre es doch kein Problem gewesen, zu Hause zu bleiben?“

 

Chizuma senkte seinen Blick. Ihm war selbst noch nicht ganz klar, warum er das getan hatte. Aber müsste er sich erneut entscheiden, würde er es nicht anders machen.

Er fuhr sich erschöpft durch die lila Haare.

„Ich weiß es selber nicht. Ich sah das einfach als meine Pflicht, dir beizustehen.“

 

„Aber deine eigentliche Pflicht ist es, der Wächter der Arche zu sein – und diese Aufgabe vernachlässigst du jetzt.“

 

„Ich konnte dich nicht einfach allein lassen... nicht schon wieder.“

 

Es war nun fast ganz dunkel, aber Tinker sah seinen Vater deutlich neben sich sitzen.

 

Er fragte ihn „Aber damals hast du mir gesagt, du liebst mich nicht mehr...hast du mir nur etwas vorgemacht?“

„Ich habe mir selbst etwas vorgemacht. Eigentlich hatte ich versucht, das alles zu vergessen. Aber als ich dich weggehen sah, da konnte ich nicht anders, als dir zu folgen.“, er schaute glücklich seinem Sohn in die Augen, „Ich möchte dir von nun an allen Beistand leisten, den du bisher nicht bekommen, aber dringend gebraucht hättest. Verzeihst du mir nochmal?“

 

Tinker war erst etwas verwirrt, aber dann nahm er Chizumas Hand.

„Natürlich verzeih' ich dir!“

Die beiden nahmen sich in den Arm.

 

 

Am nächsten Morgen lag Glück in der Luft. Durch das Gewitter, welches sich nun verzogen hatte, war die Luft sauber und frisch. Die Sonne strahlte und ein paar kleine Wölkchen wanderten über den Himmel.

 

Tinker war als erster aufgestanden und rieb sich gähnend den Schlaf aus den Augen. Er torkelte müde am Strand umher, um wach zu werden. Als er zum Meer blickte, fielen ihm vor Verwunderung fast die Augen aus.

 

„Vater, Vater!! Wach schnell auf!!“, aufgeregt rüttelte er an seinem noch schlafenden Vater.

Chizuma richtete sich überrascht auf und blinzelte vor sich hin.

„Was ist denn los?“, gähnte er und schüttelte seine Fühler.

 

„Das Meer! Das Meer ist weg!!“, rief Tinker total überdreht.

„Weg? Wie, weg?“

„Na, verschwunden! Sieh doch selbst!“

 

Die beiden liefen nach unten, auf die Fläche, auf der am vorigen Tag noch Wellen geplantscht hatten. Tatsächlich war dort nur noch feuchter, grauer Sand und das Wasser war bloß schwach am Horizont zu erkennen.

 

„Tja...“, ratlos sah Chizuma sich um, „Das ist ja echt merkwürdig...“

 

Während er sich noch wunderte, war plötzlich ein seltsames Zischen zu hören – das bekannte Geräusch der Entstehung eines Risses im Raum-Zeit-Kontinuum. Nichtmal 20 Meter neben ihnen öffnete sich auf einmal ein wirbelndes Warp-Portal. Verdutzt liefen sie hinüber. Was hatte dies zu bedeuten?

Kaum waren sie näher gekommen, da entwich auch schon mit einem blendenden Leuchten eine Kreatur dem Portal. Dessen braune Stiefel federten den Fall auf den Sand, das Wesen war klein, blass und seine roten Augen glänzten. Chizuma erkannte ihn sofort: Es war sein Freund Ceylon.

 

Überglücklich fiel er dem Ettin in die Arme.

 

„Ceylon, was machst du denn hier?!“

„Ich wurde geschickt, um dich zu holen. Du kannst wieder nach Hause!“

„Aber wie habt ihr gewusst, wo wir sind?“

„Blödmann“, Ceylon grinste ihn an, „die Koordinaten aller verbannten Wesen werden gespeichert und in Akten abgelegt, schon vergessen?!“

 

Chizuma klatschte sich mit der Hand vor die Stirn „Das hatte ich ja gar nicht bedacht!“

 

Er wandte sich fröhlich an seinen Sohn: „Tinker, hast du das gehört?! Wir können zurück zur Arche!“

In diesem Moment musste Ceylon ihm leider widersprechen.

 

„Ah, das stimmt nicht so ganz.“

Verwundert glotzte Chizuma ihn an „Was?!“

 

„Ich bin nur ausgesandt worden, um DICH zu holen. Tinker ist nach wie vor ein Verbannter...er muss hierbleiben.“

 

Für einen Moment Stille.

 

Entgeistert starrte Chizuma erst seinen bleichen Freund, dann seinen Sohn an.

Ceylon war sichtlich traurig.

„Es tut mir Leid, aber so wurde es mir aufgetragen, und so muss ich es ausführen.“

 

„Aber Tinker ist zuunrecht verbannt!“, protestierte Chizuma, „Nun mal ernsthaft – denkst du, ER ist verrückt?!“

Unglücklich schaute Ceylon Tinker an. Er hatte zwar teilweise das Aussehen eines Grendels, aber wenn man ihm in die stahlblauen Augen sah, konnte man nicht denken, dass er gefährlich wäre.

 

„Mir sind leider die Hände gebunden“, wehrte Ceylon ab, „Es ist nicht meine Entscheidung.“

 

Chizuma verzog kurz nachdenklich sein Gesicht. Dann stellte er sich neben seinen Sohn und nahm dessen Hand.

„Wenn Tinker nicht mitkommt...dann kann ich es auch nicht.“, sagte er mit toternster Mine.

 

Ceylon musterte die beiden und wippte nervös von einem Fuß auf den anderen. Die Situation schien ihn zu überfordern.

 

Schließlich meinte er:

„Najaaa, mir wurde gesagt, ich soll dich zurückbringen, Chizuma. Und wenn du nur gehst unter der Bedingung, dass Tinker mitgeht... dann heißt das wohl, dass ich euch beide mit nach Hause bringe.“

 

Die beiden strahlten ihn an. Sie hatten es geschafft, jetzt könnte endlich alles besser werden.

 

Chizuma warf noch einen letzten Blick zurück auf die Insel, bevor er mit seinem Sohn Hand in Hand durch das Portal schritt.

Life Of Chizuma (6): Die Maske


„Wer bist du... was willst du von mir?!“
Ico war verängstigt in eine Ecke des Baumhauses gedrängt, seine Augen waren weit aufgerissen und auf die furchterregende Gestalt vor ihm gerichtet. Dieser Eindringling war tief in der Nacht eingebrochen und hatte Ico im Schlaf eine Spritze mit einer grünlichen Flüssigkeit in den Arm gestoßen. Das hatte ihn aufgeweckt.

Das Gesicht des Unbekannten war verdeckt durch eine schwarze Maske. Er hatte Handschuhe an und trug an seinem Gürtel allerlei gefährlich aussehende Gerätschaften.
Entgegen Icos Erwartungen verschwand der Einbrecher ebenso schnell, wie er gekommen war. Er blickte ihm noch hinterher und sah das merkwürdige Wesen von der Kante des Baumhauses springen, woraufhin ein Planschen zu hören war, als es Teich eintauchte.
Ico war verwirrt. Was wollte dieser Typ von ihm, warum war er so schnell wieder geflüchtet? Vielleicht sollte er ihm folgen?
In diesem Moment begannen seine Hände zu zittern und ihm wurde schwindelig. Er taumelte kurz herum, ehe er benommen auf dem Boden landete.


„Sein Puls hat sich normalisiert.“, war das erste, was Ico hören konnte, als er sein Bewusstsein zurückerlangte. Sein Körper fühlte sich taub an und als er die Augen öffnete, drehte sich alles.
„Bist du es, Rados?“
Seine Meisterin beugte sich über ihn und strich ihm mütterlich über die Wange.
„Ja, ich bin hier. Hab keine Angst... Chizuma ist auch da!“
Sogleich trat auch sein guter Freund Chizuma heran. Er lächelte. Das war sehr ungewöhnlich, Ico hatte ihn erst wenige Male lächeln – geschweigedenn lachen – sehen. Ein normaler, erwachsener Norn lachte mindestens 10 Mal am Tag. Chizuma drückte den Durchschnitt ordentlich runter.

„Zwischendurch war ich richtig besorgt um dich, aber du scheinst es wohl gut überstanden zu haben.“
„Uh... was ist mit mir passiert?“
„Meine Untersuchungen ergaben eine große Menge Cyanid in deinem Blut“, erklärte Rados, „Was hast du nur gemacht??“
In dem Moment erinnerte sich Ico an die Ereignisse der letzten Nacht. Bei dem Gedanken zuckte er ein wenig zusammen.
„Aaah... verdammt...“
„Was ist denn passiert?“, fragte Rados besorgt.
Ico stand kurz vor einem Angstzustand.
„Da war so ein Typ, letzte Nacht!“
„Was? Wo denn?“
„Im Baumhaus! Er hat mir 'ne Spritze verpasst und da bin ich aufgewacht und...“
„Nun entspann dich erstmal!“, Chizuma fiel ihm ins Wort, „Du bist ja regelrecht neurotisch.“
Ico atmete durch. Er nahm die Hände von den Augen, starrte kurz an die Decke und bemühte sich dann, sich auf seiner Liege aufzurichten. Rados stützte ihn, damit er nicht zur Seite wegkippte.
„So...“, sagte sie mit einem ruhigen Ton, „und nun erzähle uns nochmal Schritt für Schritt von diesem Einbrecher.“
„Na ja ...er hatte eine Maske auf, die war total schwarz. Ich habe nur seine blauen Augen gesehen. Oh, und er hatte einen Gürtel mit komischem Zeug angelegt.“
„Was für Zeug?“
Ico zuckte nur mit den Schultern. „Hat für mich nach Waffen ausgesehen...aber davon verstehe ich ja nichts.“
„Hast Du erkannt, zu welcher Spezies er gehört?“
„Es war ein Norn, aber an alles andere erinnere ich mich nicht. Als ich ihn sah, ist er sofort wieder abgehauen.“
Rados gefiel nicht, was sie da hätte.
„Das klingt sehr bedrohlich.“, meinte sie, „wenn das alles stimmt, dann  hat dieser Fremde versucht, dich zu töten.“
„Aber warum denn nur?! Ich hab ihm doch gar nichts getan!“, sagte Ico entgeistert, „Ich habe überhaupt niemandem irgendwas getan!“
„Ich wüsste auch nicht, warum er es ausgerechnet auf DICH absehen haben könnte.“, ergänzte Chizuma, „aber anscheinend haben wir es hier mit einem Profi zu tun. Er wusste, dass du ein Highlander bist und nicht an normalen Wunden sterben kannst. Vielleicht hat er gehofft, dass das Gift dir schadet.“
Rados nickte nachdenklich.
„Die Menge Zyanid, die ich in deinem Blut gemessen hatte, hätte gereicht, um eine komplette Grendel-Population auszulöschen.“, bestätigte sie, „und wenn dieser Attentäter mitbekommt, dass du noch  lebst, dann wird er wiederkommen. Und er wird schwerere Geschütze auffahren.“
„Was?!“
„Er wird vielleicht Mittel finden, an denen du tatsächlich stirbst. Wir können nur hoffen, dass es etwas bringt, wenn du erst mal untertauchst.“
„Aber wo denn??“, fragte Ico.
Chizuma überlegte.
„Du könntest doch eine Weile mit Rados in der Krankenstation bleiben.“, schlug er vor, „sie muss zwar gelegentlich weg, aber nie wirklich lange. Und wenn doch mal was nicht mit dir stimmt, kann sie sofort versuchen, dich zu heilen.“
Ico schaute Rados flehend an.
„Darf ich wirklich?“, bat er.
„Natürlich, das ist eine gute Idee.“, antwortete sie und lächelte, „Über ein wenig Assistenz freue ich mich – schließlich habe ich hier genug Arbeit.“
Für einen Augenblick stutzte Ico.
„Moment mal... was wird dann aus meinem Job?“, fragte er, „wenn ich mich hier verstecke, kann ich doch meiner Pflicht als Teelieferant nicht nachgehen.“
„Ach, mach dir deswegen keine Sorgen. ICH kann doch währenddessen diese Arbeit übernehmen!“, bot Chizuma an, „ich komme eh am Replikator vorbei, wenn ich meine Wächterrunde drehe. Ich muss es bloß so einplanen, dass es zeitlich passt.“
„Wow, das ist echt nett von dir. Danke, Leute, ich fühle mich schon viel sicherer!“
„So, jetzt wo das geklärt ist“, Rados blickte auf ihre Uhr, „hast du vielleicht Lust auf Frühstück, Ico?“
„Nein danke, Rados. Aber ich fühle mich ein wenig schläfrig. Könnte ich mich noch ein wenig hinlegen?“
„Das kannst du gerne machen – ich werde Acht geben, dass dir nichts passiert.“


Einige Tage später, bevor Chizuma seine Wächterrunde begann, schaute er nochmal im Baumhaus vorbei und holte die neue Teelieferung.

„Da hast du sie.“, Coal drückte ihm die Packung in die Hand, „hey, kann ich heute mal mitgehen?“
„Natürlich, wenn du möchtest.“
„Danke“, Coal streckte sich und ging dann Chizuma hinterher, „ich hatte an etwas Neuem gearbeitet und würde mir gerne mal die Beine vertreten.“
Die zwei namen den Lift nach unten, ohne etwas zu sagen. Als sie die Brücke betraten, fragte Coal schließlich: „Wie geht es Ico?“
„Psst.“, Chizuma deutete ihm mit einer Bewegung, hier nicht darüber zu reden. Coal blickte sich um, ehe er weiter in Richtung Replikator folgte.
„Du kannst mir hier ruhig davon erzählen. Es ist doch sonst niemand da.“
„Ico geht es gut“, sagte Chizuma, aber diesmal leiser, „es fällt ihm nur schwer, in dieser Situation ruhig zu bleiben.“
„Das ist ja auch nachvollziehbar.“
„Er denkt halt mehr mit dem Herzen, als mit dem Kopf.“, redete Chizuma weiter und überlegte bei sich, dass Ico wohl eher mit den Füssen dächte – wenn überhaupt.
„Aber immerhin ist er jetzt in Sicherheit“, meinte Coal.
„Ja, das stimmt. Wenn er Rados' Nähe bleibt, ist er so gut wie unantas-  ieau!!“
Chizuma zuckte zusammen und fasste sich an den Rücken, „Was war das denn??“
Er zog sich etwas aus der Schulter, was wie ein kleiner Dart-Pfeil aussah, dessen Mittelstück durch eine Glasröhre ersetzt worden war und von dessen Spitze eine Flüssigkeit tropfte.
Chizuma blickte nach hinten, aber niemand war in dem langen Gang zu sehen.
Er fasste Coal, der noch verdattert auf den Pfeil glotzte, am Arm.
„Begleitest du mich auf die Krankenstation?“
„Ääh... natürlich!“
Die beiden eilten zügig zurück.
Auf halber Strecke sagte Coal: „Es tut mir Leid, dass das passiert ist... wenn ich nur besser aufgepasst hätte...“
Chizuma blieb stehen, wankte ein wenig.
„Das... ist nicht deine Schuld, Coal...“
Er stützte sich gegen die Wand und legte sich mit zugekniffenen Augen die Hand auf die Stirn. Kurz darauf kippte er vorneüber auf den Boden.


„Chizuma, kannst du mich hören?“

Rados war über ihren Patienten gebeugt und blickte ihn besorgt an. Sie hielt ihre Hand neben sein Ohr und schnippte, woraufhin er blinzelnd die Augen öffnete. Allerdings sah Chizuma alles noch ganz verschwommen.

„Wie viele Finger zeige ich?“
„Uuuh... sechzehn...?“
Rados seufzte.
„Wie geht es dir?“, fragte sie.
„Ich habe Kopfschmerzen...wo bin ich?“
„In der Krankenstation. Erinnerst du  dich, was geschah, ehe du bewusstlos wurdest?“
„Nicht so richtig ...“
In diesem Moment trat Coal hinzu.
„Hey, Chizuma, weisst du nicht mehr? Du warst mit mir auf dem Weg zum Replikator“, sagte er.
Chizuma blickte an die Decke und dachte scharf nach. Danach betastete er seine Schultern.
„Wo ist der Pfeil?!“, fragte er nervös.
„Den habe ich schon Rados gezeigt“, beruhigte Coal   ihn, „die Überprüfung der Chemikalie findet gerade statt.“
Chizuma nickte erleichtert. „Und was jetzt?“, fragte er.
„Naja, ich würde sagen, du ruhst dich noch ein wenig aus, bevor wir mehr erfahren“, schlug Rados vor.
„Hört sich gut an“, gähnte Chizuma und wälzte sich herum.
Als ein leichtes Schnarchen zu hören war, betrat auch Ico die Krankenstation. Er sprach nicht, um Chizuma in Ruhe schlafen zu lassen, und ging stattdessen zu Rados und Coal hinüber, die gemeinsam vor einem Bildschirm saßen und zwei Graphen betrachteten.
„Das ist seltsam...“, murmelte Rados, „ich habe 2 Blutproben von Chizuma genommen: eine, als ich ihn vor 2 Stunden untersuchte und eine, die erst wenige Minuten alt ist. Siehst du diese Chemikalie dort?“
„Das ist eine Unbekanntase“, sagte Coal leise, „aber da steht keine Nummer, um welche es sich handelt?“
„Ich habe die Nummer nicht herausgefunden – das ist nunmal die Eigenschaft einer Unbekanntase. Die Wirkungen sind unbekannt. Aber dies muss das Gift aus dem Pfeil sein.“
„Moment mal...“,Ico beugte sich vor und zeigte auf den Screen, „in dem neueren Blutbild ist ja mehr von der Unbekanntase als im alten. Sollte sie sich nicht eher abgebaut haben??“
„Das finde ich auch sehr sonderbar“, bestätigte Rados, „offensichtlich produziert diese Substanz immer mehr von sich selbst – wie ein Parasit! Und wer weiß, was sie noch alles anrichtet...“
Sie blickte noch einmal auf Chizuma, der anfing, sich auf seiner Liege zu bewegen.

„Rados... bist du da...?“, nuschelte er.
Sie ging zu ihm hinüber und nahm seine Hand.
„Ja, ich bin da. Was ist los?“
„Rados, ich höre etwas...“
„Was? Was hörst du?“
„Ich höre Stimmen... Stimmen in meinem Kopf!“
„Was für Stimmen?“
„Es ist ganz wirr... Sie reden alle durcheinander...“
„Was sagen sie?“
„Fallen... Loslassen... Verderben... Verloren... Rados, was passiert mit mir?“
„Keine Panik, es wird alles gut...“
Coal trat näher und zupfte Rados am Ärmel.
„Da ist eine Nachricht reingekommen!“
„Was? Von wem??“, fragte sie verwundert.
„Absender unbekannt. Sieht aus wie eine Videobotschaft.“
Rados setzte sich in ihren Sessel vor dem Monitor und ließ die Aufnahme abspielen.

Zu sehen war eine Gestalt mit einer schwarzen Maske.

„Iiiiiek!! Das ist der Typ, der mich angegriffen hat!!“, quietschte Ico.
Die Person begann zu sprechen, mit einer Stimme, die sich dunkel und verzerrt anhörte.

„Guten Abend, Rados. Wie dir sicher schon aufgefallen ist, geht es deinem lieben Chizuma nicht sehr gut. Vielleicht hat er ja schon angefangen, gewisse Dinge zu hören... Es ist wirklich zu schade, dass keines deiner Gegenmittel ihm helfen wird. Es gibt nur eine Quelle für das Gegengift – und die bin ich. Doch wie du dir sicher vorstellen kannst, möchte ich auch eine Gegenleistung. Hör dir mein Angebot gut an, denn ich werde es nicht wiederholen:
Sobald diese Nachricht endet, gebe ich dir 4 Stunden, um ICO zu dem untersten Stockwerk des Dschungels – der chemischen Müllkippe – zu bringen. Sonstige Begleitung ist unerwünscht. Und denk nicht mal daran, Tricks zu verwenden... du willst doch nicht, dass das Heilmittel in die ätzenden Säuren fällt, oder? Also, denke über mein Angebot nach. Doch an deiner Stelle würde ich mich beeilen. Chizuma wird in weniger als 6 Stunden seinen Verstand unheilbar verloren haben...“

Black Screen.
Das war es also.
Coal musste hart schlucken.
Ico hatte ganz große Augen bekommen.
Es dauerte eine Weile, bis er sich traute, die Stille zu durchbrechen:
„Werden... Werden wir das tun?“
Rados blickte kurz zu Chizuma, der regungslos da lag, dann sagte sie zu Ico „Nein, wir werden das auf keinen Fall tun.“
Sie rückte an ihre Tastatur heran und rief die Liste der Unbekanntasen auf. Irgendeine von diesen war das Gift, und eine andere wiederum musste das Heilmittel sein. Aber es gab viel zu viele davon... eine manuelle Suche würde ewig dauern. Doch ihr blieb nichts anderes übrig. Sie konnte nicht einfach mit ansehen, wie das Gift ihn innerlich zerstörte. Auch wenn die Suche so gut wie hoffnungslos war.

Nach knapp 3 Stunden gab es noch immer keinen Anhaltspunkt für das Heilmittel. Allerdings hatte sich Chizumas Zustand geändert. Seine Augen waren zusammengekniffen, er lag gekrümmt auf seiner Liege und hielt sich mit beiden Händen an die Schläfen.

„Sein Puls ist sehr stark und unregelmäßig. Ich wünschte, ich wüsste, was in ihm vorgeht. Aber er ist nicht mehr ansprechbar...“, Rados hatte inzwischen tiefe Augenringe, da sie ihren Monitor in den letzten 3 Stunden nur verlassen hatte, um nach Chizuma zu sehen, „ich komme einfach nicht schnell genug voran! Ich brauche mehr Zeit, verdammt!“
Während sie sich die Augen rieb, ging Ico unruhig im Raum hin und her. Langsam fehlte ihm die Kraft, sich dieses Drama noch länger anzusehen.

„Rados... ich glaube, ich muss gehen.“
„Was? Wohin?“
„Ich werde die Abmachung des Maskierten erfüllen.“
„Bist du übergeschnappt??“, Rados hielt ihn fest, „er wird dich töten! Ich verbiete dir, das zu tun!“
„Ich werde doch wohl noch das Recht haben, über mein eigenes Leben zu entscheiden?!“, Ico schubste ihre Hand weg, „ich kann hier nicht einfach tatenlos herumstehen! Chizuma hat mich schon so oft gerettet... ich bin ihm das schuldig! Wenn du dich nicht traust, mich zu begleiten, dann bleib halt hier!“ Mit diesen Worten verließ er die Krankenstation. Sein Ziel war die chemische Müllhalde im untersten Teil des Dschungels.


Als er ankam, war der Maskierte noch nicht dort. Dafür befanden sich rechts und links von ihm Kanäle voller orange-leuchtender und eklig stinkender Pampe. Von den Dämpfen konnte einem Wesen regelrecht schwindelig werden.

Er musste nicht lange warten, da öffnete sich die Tür zur Wüste und der Attentäter kam hindurchgeschritten. Er sah genau so aus wie beim letzten Treffen: zu der Maske hatte er schwarze Handschuhe und seinen unheimlichen Waffengürtel angelegt.
Ico wollte zwar wegrennen, aber nun war es zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Er hatte sich dazu entschieden, dies durchzuziehen, und dabei blieb er. Auch, wenn er beim Anblick seines Gegners zittrige Knie bekam. Zum ersten Mal konnte er die echte Stimme des Maskierten hören. Doch er sprach sehr gedämpft, sodass er sie nicht recht zuordnen konnte.

„Du bist also tatsächlich gekommen. Das hätte ich nicht erwartet.“
Langsam kam er näher und ließ seinen Blick über Ico schweifen. Schließlich fasste er sich mit der Ruhe und Bestimmtheit eines Gentleman an den Gürtel und zog ein Gefäß aus einer Lasche. Darin war eine blaue Flüssigkeit. Er hielt Ico die Flasche vors Gesicht, woraufhin dieser sie nur verwirrt anglotzte.
„Was ist das?“, fragte er den Unbekannten.
„Es ist das Gegenmittel, wie versprochen. Nimm es und bring es Chizuma.“
Ico fasste die Flasche. Er war noch immer total irritiert.
„Ist das etwa alles...?“
„Was hast du erwartet?“
„Du willst mir nichts antun?“

„Ursrpünglich war das mein Plan gewesen. Aber da du hier aufgetaucht bist, sehe ich dazu keinen Grund mehr.“
„Aber wieso dann diese ganze Geschichte mit dem Gift?“
„Ich hielt dich für einen Feigling, aber du hast bewiesen, dass du Mut besitzt. Wer das Leben eines Freundes über das eigene stellt, der hat ein ewiges Leben verdient. Jetzt beeile dich, Chizuma hat nicht mehr viel Zeit!“

Ico drehte sich um, blickte noch einmal zurück und machte sich dann auf den Weg zur Krankenstation. Er überlegte, was wohl passiert wäre, wenn er sich nicht gestellt hätte. Eigentlich wollte er es gar nicht wissen. 

 

 
     

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